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Was ist Zen? 

 Der spirituelle Kern des Zen, seine Essenz, kann nur erfahren werden.

Ein Verständnis mit Hilfe von erklärenden Worten ist letztlich nicht möglich. Es ist aber natürlich wichtig zu wissen, mit welcher Motivation wir Zen praktizieren.

Wünschenswert ist aber auch, eine gewisse Allgemeinbildung über Zen zu haben hinsichtlich seiner Geschichte, seiner Bezüge zu Buddhismus, Daoismus und Hinduismus, wichtiger Persönlichkeiten usw.

Wie können wir uns also mit Worten der Essenz des Zen nähern, um wenigstens zu wissen, worum es geht?

 Ich will es – etwas gewagt – so versuchen: 

 Zen ist eine mystische Schule bzw. eine Tradition der philosophia perennis.

Beide Begriffe mögen zunächst verwirren. Der Begriff „Mystik“ deswegen, weil er in erster Linie mit Sachverhalten und Personen aus dem christlichen Zusammenhang assoziiert wird, „philosophia perennis“, weil dieser Begriff nicht sehr bekannt ist. 

 Im engeren Sinne versteht man unter Mystikern in der Tat die christlichen Mystiker. In der Religionswissenschaft hat sich jedoch ein allgemeinerer Mystik-Begriff etabliert.
Hier wird Mystik als die Suche nach der Erfahrung – nicht theoretischer Erkenntnis – einer höchsten Wirklichkeit bezeichnet. 

Die Encyclopedia Britannica definiert Mystizismus:
„Die spirituelle Suche nach einer verborgenen Wahrheit oder Weisheit, deren Ziel die Einheit mit dem transzendenten Heiligen oder Göttlichen ist.“ 

Mystiker sind Menschen, die einen Bewusstseinszustand erreicht haben, der sich völlig von den uns bekannten Bewusstseinszuständen unterscheidet und als unio mystica bezeichnet wird. (Quest S. 79)

In den abrahamitischen Offenbarungsreligionen Christentum, Islam und Judentum spielten die Mystik und die vergleichbaren Strömungen im Islam (Sufismus) und Judentum (Kabbala) eine eher untergeordnete, oft mit Argwohn betrachtete Rolle, da sich die eigene, nicht beschreibbare Erfahrung der letzten Realität dem Deutungs- und Machtanspruch der organisierten Vertreter (Kirchen...) der geoffenbarten Wahrheiten entzieht. 

Im Buddhismus, Daoismus und Hinduismus sind das persönliche Erreichen transformierender Erlebnisse und Bewusstseinszustände, der „Erleuchtung“ usw. tragendes Konzept, Kern der Lehre und der Praxis, insbesondere der Meditation.

Innerhalb der buddhistischen Schulen ist der Zen-Buddhismus eine besonders konsequente, praxisorientierte und fokussierte, schnörkellose Tradition.

 

Der Jesuitenpater und Zenmeister Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, Pionier eines christlichen Zen, schreibt:

„Im Zen kommt die Seele Gott bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten entgegen“ 

(Lassalle, „Zen und christliche Mystik“)

Da die christliche Mystik jedoch keine ungebrochene Schulungs- und Traditionslinie entwickeln konnte und immer ein Nischendasein führen musste, konnte sie keine vergleichbare systematische Qualität entwickeln wie die entsprechenden Linien der östlichen Traditionen. Es scheint mir daher unangemessen, diese als Mystik zu bezeichnen, wenngleich dies als erste Annäherung zum Verständnis hilfreich sein dürfte.

Als gemeinsamer Oberbegriff für diese Traditionen scheint mir der Begriff „philosophia perennis“ passender. Philosophia perennis heißt „ewige Philosophie“

In diesem Sinne geprägt wurde der Begriff: „philosophia perennis“ von dem Schriftsteller Aldous Huxley (1894-1963), der in seinem 1944 erschienenen Werk. „The Perennial Philosophy“ eine strukturierte Zusammenstellung und Interpretation großer Mystischer Texte liefert und die von Zeit und Ort unabhängigen, also allgemeingültigen und „ewigen“ Gemeinsamkeiten der Weisheitstraditionen aufzeigt.

 

Eine derartige Arbeit wurde insbesondere wegen der enormen Übersetzungsprobleme der sprachlich und inhaltlich ohnehin schwierigen Texte erst in den letzten rund 200 Jahren möglich.

 Als einige gemeinsame Strukturen von Traditionen der „philosophia perennis“ seien nur kurz genannt:

Die unio mystica, das Erleuchtungserlebnis oder wie immer man das Erlebnis nennen mag, ist von grundlegend anderer Qualität als alle bekannte Erfahrung des Bewusstseins. Daher ist es Menschen, die kein entsprechendes Erlebnis hatten, nicht verständlich beschreibbar.

Das Erlebnis soll ein intuitives, klares und tiefes Wissen mit der Gewissheit höchster Realität vermitteln. Glaube und angelerntes Wissen spielen keinerlei Rolle:

 “Wenn alles ein Traum ist, das nicht“

 Das Erlebnis vermittelt meist das Empfinden der Zeitlosigkeit bzw. die Erkenntnis, dass Zeit eine Illusion ist.

 Auch im Zen finden sich diese und weitere Elemente der „philosophia perennis“.

 Ziel des Zen ist, das Einheitserlebnis zu erreichen. Im Zen heißt es Satori oder Kenshō.